São Paulo, April 2009 – Wenn überhaupt jemand mit dem Namen Serra da Bocaina etwas anfangen kann, dann wahrscheinlich in Verbindung mit dem legendären Gold – Trail (Trilha do Ouro) zwischen São José do Barreiro und Mambucaba.
Weniger geläufig sind da schon die Trails in der Nord – Bocaina, die von der Kolonialstadt Bananal (São Paulo) aus erreicht werden. Es wäre allerdings vermessen, über diesen Teil des Nationalparks zu sprechen, ohne einen Mann namens Carlinho zu erwähnen.
Carlinho ist Eigentümer einer relativ einfachen Unterkunft in der Hoch – Bocaina (Pousada Brejal) und keiner kennt die Trails dort, so wie er. Wenn die Militär- bzw. Umweltpolizei ihre Rettungseinsätze in der Region durchführt, kommen sie bei Ihm vorbei, um diese anzuleiten.
Eine seiner Eigenarten ist, etwa 24 h wie ein Scheunentor zu reden, was auf der einen Seite etwas anstrengend ist, auf der anderen Seite, zugegebenermaßen aber sehr lehrreich. Die erste Tour mit Ihm war eine Art Spritztour mit dem Auto, die gegen 11 Uhr vormittags begann und kurz vor Mitternacht endete. Auch wenn die Landschaft dort oben absolut berauschend ist, sind die Wege doch teilweise so anspruchsvoll, daß ich trotz 4 x 4 und reduziertem Differenzial, diese Tour nicht unbedingt wiederholen müßte.
Gelohnt hatte sich die Fahrt an diesem Tage aber alle Male, den Carlinho führte uns an einem Bauern vorbei, der selbstgemachten Muzarella – Käse verkaufte und dem einzigen Cambuci – Baum der Region, einer Mata Atlântica – endemischen, vom Aussterben bedrohten (IUCN Red List), feigenartigen Frucht, die sich außerordentlich gut in Pinga einlegen läßt. Für Carlinho hatte sich die Fahrt auch gelohnt, denn er kaufte bei einem anderen Bauern zwei Truthähne ein, die uns dann zwischen unseren Beinen, kreischend und zappelnd, die restlichen 3 Stunden im Auto begleiteten.
Am nächsten Tag, dann endlich die erste Wanderung zum Bonito – Fluß, entlang eines Trails, den er (Carlinho) erst vor kurzem freigeschlagen hätte. Auf dem Rückweg beeindruckte er mich dann das erste Mal mit seiner Beobachtungsgabe. Zum einen identifizierte er einen Jäger, der diesen Trail offensichtlich vor uns begangen war, anhand des Schnittmusters als Rechtshändler und zum anderen machte er am Rande einer Lichtung Palmherz – Plünderer aus, die uns dort aus dem Unterholz heraus beobachteten.
Die letzte Stunde stapften wir dann im strömenden Regen, durch Knie- bis teilweise hüfthohen Morast (April ist noch zu feucht für diese Region), was unseren Humor aber nichts erstaunlicherweise nichts anhaben konnte.
Netterweise führte Carlinho mich zum Schluß noch bei Dona Maria vorbei, einer älteren Dame, die laut Ihm den besten Cambuci – Schnaps in der Bocaina produziert. Nach drei – vier Gläschen konnte ich das nur bestätigen und deckte mich sofort mit zwei 5 – Liter Karaffen, für den nächsten Winter ein.
Am letzten Tag konnte ich Carlinho noch dazu überreden, einen Trail entlang des Bracuí – Flusses, vom Hochplateau zur Küste zu gehen. Auch hier glänzte er mit beispielloser Orientierung, denn teilweise sind einige Abschnitte des Trails, da fast nicht mehr begangen, gänzlich von der Vegetation eingenommen. An einer Stelle machte mich Carlinho, der gegen Bezahlung u.a. auch für einen der Besitzer einer größeren Waldfläche patroulliert, auf ein unscheinbares, in einen Baum geschnitztes Gesicht aufmerksam. Ein Mahnzeichen an alle Palmherzplünderer, an dieser Stelle besser umzudrehen. Offensichtlich sehr wirksam, denn an kaum einer Stelle fanden wir so viele Palmito – Bestände wie hier.
An einer anderen Stelle entdeckte Carlinho einen Baum, dem er etwa für 20 Minuten, mit strahlendem Gesicht, die Rinde abschälte. Sei gut gegen alle Arten von Leberschäden und verkaufe sich glänzend in Bananal und Umgebung. Obwohl ich Carlinho damals versprach, Ihn relativ schnell wieder zu besuchen, habe ich dies bis heute leider nicht wieder geschafft, genauso wenig wie so viele ander Orte, im scheinbar endlosen brasilianischen Küstenregenwald.